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Die Abtei im Wald

Selten hat die Gründung eines Klosters so viele Anläufe gebraucht und selten haben Mönche um ihre Eigenständigkeit so zäh kämpfen müssen wie im Falle Hainas. Als im Jahr 1215, vor gut 800 Jahren, mit dem Bau der frühgotischen Kirche begonnen wurde, lagen hinter den frommen Pionieren schon langwierige Streitigkeiten mit dem Grafen Poppo von Reichenbach und Ziegenhain und seiner Familie. Dieser hatte das Kloster um 1140 gestiftet und dafür auch Land und Einkünfte bereitgestellt. Als Gegenleistung erwartete man, dass die Zisterzienser intensiv für das ewige Seelenheil der Stifter beteten. Nach Meinung kundiger Historiker ging es der gräflichen Familie aber auch um weltliche Ziele, nämlich die landwirtschaftliche Erschließung der Umgebung und die territoriale Absicherung ihrer Macht.

Landgraf gegen Erzbischof

Nordhessen lag im Hohen Mittelalter in einem Kraftfeld, in dem die Erzbischöfe von Mainz ewig mit den Landgrafen von Thüringen und Hessen im Streit um die Vorherrschaft lagen. Die Grafen von Ziegenhain waren dabei die leidenden Dritten. Das Kloster Haina sollte ihnen dabei helfen, ihre Position zu stärken. Die Zisterzienser aber verlangten, wie überall, vollkommene Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit. Daran haperte es offenbar, denn dreimal gaben entsandte Mönchs-Gruppen die geplante Klostergründung auf der ursprünglich dafür vorgesehenen Aulesburg bei Löhlbach wieder auf. 1188 war dann immerhin der vierte Versuch erfolgreich: Ordensmänner aus dem Kloster Altenberg im Bergischen Land bei Köln, das seinerseits eine Tochtergründung der zisterziensischen Primarabtei Morimond in Burgund war, ließen sich dauerhaft nieder.

Ein Bußgang nach Burgund

Sie verlegten die Abtei jedoch bald in das benachbarte Haina, weil dieser Ort viel besser geeignet war. Zuvor war Graf Heinrich von Ziegenhain, der Enkel des Stifters, im Büßergewand mit einer Schar von Getreuen eigens zum Generalkapitel aller Zisterzienser-Äbte nach Cîteaux in Burgund gepilgert, um feierlich auf alle Ansprüche und Rechte zu verzichten. Immerhin behielt die Grafenfamilie das Privileg auf eine Grablege in der Klosterkirche. Erzbischof Siegfried von Mainz hingegen konnte Einfluss auf das Kloster gewinnen und unterstellte es seinem Schutz, die Weihe des Kirchenbaus nahm er am 1. April 1224 höchstpersönlich vor.

Ein eigener Sprechraum

Dank seiner Förderung und dank der Unterstützung durch zahlreiche weitere Stifter entwickelte sich die Abtei im Wald zu einem der wichtigsten und reichsten Klöster Hessens. Zeitweise lebten mehr als 60 Priestermönche und Laienbrüder (Konversen) in den Gebäuden im Schatten der Kirche. Die Anlage folgte dem klassischen Klosterplan, wonach sich an das Gotteshaus die Sakristei, die Bibliothek, der Kreuzgang und die Klausur-Räume anschlossen, darunter der gotische Kapitelsaal als zentraler Versammlungsraum. Da die Mönche im Umgang mit einander zum Schweigen verpflichtet waren, gab es für die Ausnahmen einen eigenen Sprechraum (Parlatorium), wo man etwa die Arbeit einteilte. Die Wärmestube (Kalefaktorium) war der einzige beheizte Raum, das Dormitorium der Schlafsaal und das Refektorium der Speisesaal, in dem die Ordensleute schweigend ihre Mahlzeiten einnahmen, während einer von ihnen aus frommen Schriften vorlas. Über eine Schreibstube, in der mittelalterliche und antike Schriften kopiert worden wären, wird aus Haina nichts berichtet.

Backhaus, Mühle, Brauerei

Der Abt hatte ein eigenes Haus, auch die Laienbrüder (Konversen), die die praktische Arbeit in der Landwirtschaft leisteten, waren in einem gesonderten Bau untergebracht. Daneben befanden sich die Küche und die so genannte Klosterspende, wo man die Armen und die durchreisenden Pilger beköstigte.
Außerhalb der priesterlichen Klausur lagen in Haina auch eine Zehntscheune, in der die abhängigen Bauern ihre Abgaben ablieferten, sowie ein Gasthaus, ein Backhaus, ein Fruchthaus, eine Mühle, eine Brauerei und ein Krankenhaus. Ferner gab es auf dem Klostergelände verschiedene Handwerksbetriebe, einen Gemüsegarten und einen Fischteich. Hier wirkten die Konversen, die mit ihrer Hände Arbeit die Selbstversorgung und die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Abtei sicherten.

Immoblien an mehr als 300 Orten

Ihr ökonomischer Erfolg und die vielen Schenkungen führten dazu, dass das Kloster Haina nach einiger Zeit Immobilien an mehr als 300 Orten in Hessen sein eigen nennen konnte, von der Weser bis zum Main. Es waren so genannte Grangien, große Gutshöfe, aber auch Mühlen und Wohnhäuser, Äcker, Wiesen, Wälder, Weinberge und Fischteiche. In zahlreichen Städten, so in Frankenberg, Wildungen, Wetter, Treysa, Marburg, Kassel, Gelnhausen oder Frankfurt, besaß das Kloster auch Stadthöfe, wo man landwirtschaftliche Erzeugnisse vertrieb. In Fritzlar ist der „Hainaer Hof“, ein stattliches vierstöckiges Fachwerkgebäude, noch heute zu sehen – er war nur eines von 13 Häusern, die den Mönchen in dieser Stadt gehörten, und wird heute als Hochzeitshaus bezeichnet.

Ein Abt auf der Flucht

Der ökonomische Erfolg indes war kein Selbstläufer, wiederholt gab es auch Phasen der Misswirtschaft und Verschuldung. Kredite konnten nicht zurückgezahlt werden, einem Abt drohte deshalb die Exkommunikation, und in der Kirche mussten zeitweilig die Gottestdienste eingestellt werden. Gegen Ende des Mittelalters gingen die Stiftungen zurück, auch die Zahl der Konversen, die oft in Spannung mit der Priesterkaste lebten, nahm merklich ab. „Dem materiellen Notstand folgte der sittliche Niedergang“, schreibt der Historiker Dr. Arnd Friedrich. 1441 wurde ein Abt abgesetzt, weil er mit Pferden, Kleinodien und anderen Gütern geflohen war, ein anderer dankte 1470 wegen Altersschwäche und Misswirtschaft ab. Wiederholt kamen leitende Mönche aus dem Mutterkloster Altenberg nach Haina zur Visitation. 1518 ging es unter anderem um schwere Trinkgelage – Mönche tafelten in Klausur-Räumen mit Adligen, die dort eigentlich gar keinen Zutritt hatten.
Damals war das Ende des Klosters schon nah – im Oktober 1517 hatte der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg den Anstoß zur Reformation gegeben ...