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Der Garten des Herrn von Stamford

Friedrich von Stamford meinte es gut, und er nahm sich viel vor. Der frühere Offizier, jetzt Leiter des Hospitals in Haina, begann im Jahre 1789 damit, rund um das einstige Kloster einen englischen Landschaftsgarten anzulegen. Aus eigener Tasche bezahlte er die Arbeiten und stiftete die Anlage „zu Lustwandlungen für sämtliche Einwohner und Hospitaliten, für jedermann aus der Gegend“.

Ganz im Geiste seiner Zeit war der Mann, der von 1739 bis 1803 lebte, offenbar begeistert von den neuartigen Parkanlagen, die in jener Zeit im Geist der Aufklärung in England entwickelt worden waren. Im bewussten Gegensatz zu den französischen Barockgärten, die streng nach geometrischem Muster gegliedert waren, wollte man die Nähe zur Natur wahren. Doch scheute man nicht die künstlerische Ergänzung und schuf anmutige Geländeformationen, lauschige Nischen und erhöhte Plätze. Von dort hatte der Betrachter dann einen äußerst reizvollen Ausblick auf die Landschaft, die mit Pavillons, Tempelchen, Grotten, Denkmälern oder künstlichen Wasserfällen bestückt wurde. In ganz Europa wurde der „englische Garten“ zum Kultobjekt, zu den bekanntesten Nachschöpfungen in Deutschland zählen der gleichnamige Park in München, das Gartenreich in Dessau und Wörlitz sowie der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, der seit 2013 von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt ist.

Als Soldat in Amerika

In Haina legte Friedrich von Stamford die Sache ein paar Nummern kleiner an – und war damit doch einer der ersten in Deutschland. Der leitende Beamte, der aus einer englischen Familie stammte, hatte zunächst als Offizier des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel am amerikanischen Unabhängigkeitkrieg teilgenommen. Gegen Zahlung hoher Summen hatte der Fürst dem britischen König Georg III. ein Truppenkontingent von 12.000 Mann vermietet. Die Soldaten, die zum Teil dazu gepresst worden waren, hatten gegen jene aufständischen Siedler zu kämpfen, die 1776 die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet hatten. Friedrich von Stamford erwarb sich bei diesem Einsatz, auch wenn der Krieg für die Briten verlorenging, aus der Sicht des Landgrafen offenbar Verdienste und wurde dafür mit dem Posten des Obervorstehers der vier „Hohen Hospitäler“ belohnt, zu denen Haina als zentraler Sitz der Verwaltung gehörte.

Der neuen Aufgabe nahm Stamford sich mit Nachdruck an. Offenbar verfolgte er die Experten-Diskussionen über eine Reform der „Irrenhäuser“ und sorgte dafür, dass in Haina die „Wahnsinnigen“, die man damals meist ankettete, immerhin bei gutem Wetter im Freien sitzen durften. Auch sein Landschaftsgarten war explizit für die Patienten bestimmt, außerdem für sämtliche Bewohner der Umgebung – ein durchaus fortschrittliches Angebot in einer Zeit, in der auch mancher Fürst die Parkanlagen öffnete, die zuvor nur ihm und seinem Hofstaat vorbehalten waren. Eine Nachfahrin des Stifters, Frau Sitta Ertel geb. von Stamford aus Frankfurt, fühlt sich der Stiftung ihres Ahnen auch heute noch verpflichtet und unterstützt in diesem Sinne den Verein der Freunde des Klosters Haina.

Romantische Naturkulissen

Friedrich von Stamford setzte in Haina den Anfang, seine Nachfolger bauten die Gartenanlage in den folgenden Jahrzehnten in seinem Sinne aus. Im 20. Jahrhundert ist sie dann freilich wieder verwildert und verfallen, manche hübsche Sichtachse ist heute zugewachsen. Doch kann man auf dem fünf Kilometer langen Wanderweg durch den Stamford'schen Garten auch heute noch diverse Aussichtspunkte, eine Allee und andere romantische Naturkulissen entdecken. Mancher Wildwuchs wurde in den vergangenen Jahren wieder beseitigt, manches lauschige Plätzchen wieder freigelegt. Im Ganzen freilich wirkt die Anlage heute weniger wie ein Landschaftspark, sondern eher wie ein ökologisch reich gesegnetes Wald- und Hügelareal mit staunenswerten Landmarken.  Sie zeugen nicht nur vom Schöpfergeist des Herrn von Stamford, sondern auch von den Aktivitäten der heute hier tätigen Forstleute sowie der mittelalterlichen Mönche.  An der Steinklippe haben die Zisterzienser einst die Grauwacke gebrochen, die in der Klosterkirche vermauert ist, und im Talgrund liegt einer jener legendären Teiche, in denen sie ihre Fische züchteten. Die Szenerie gehört zum Kloster-Komplex genauso wie die mittelalterlichen Klausurbauten und das neuzeitliche Hospital.

Ein Weg durchs Waldkulturerbe

Erhalten ist im Übrigen auch ein Großteil der weitläufigen Wälder der einstigen Abtei, die 1533 vom Landgrafen Philipp in so genannte Stiftungsforsten umgewandelt wurden. Diesen Namen tragen sie bis heute, und bis heute erwirtschaften sie beträchtliche Gewinne, die dem Landeswohlfahrtsverband Hessen zugute kommen. Die Waldungen umfassen eine Fläche von 7.464 Hektar (74,64 Quadratkilometer) und liegen überwiegend im Umkreis des Klosters. Es kommen darin 46 verschiedene Baumarten vor, die Hege und Bewirtschaftung liegt in der Hand von fünf Revierförstereien mit mehr als einem Dutzend Forstwirten. Sie fühlen sich nach den Worten des Leitenden Forstdirektors Manfred Albus, des Chefs der Stiftungsforsten, dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verpflichtet und verfolgen das Ziel, innerhalb von 100 Jahren an allen Standorten Bäume in allen Altersstufen und Größen nebeneinander stehen zu haben.

In bestimmten Schutzzonen brüten mehrere Paare des seltenen Schwarzstorchs oder Uhus und Wanderfalken. Kindern und Jugendlichen werden lehrreiche Waldspaziergänge auf dem „Wald-Kulturerbe-Weg Haina“ angeboten, auch Erwachsene sind willkommen. Außerdem betreibt das Unternehmen einen regenerativen Energie-Betrieb, der jährlich rund 30.000 Kubikmeter Hackschnitzel einsetzt. Sie werden unter anderem in den Heizanlagen der Vitos-Einrichtungen verfeuert und ersetzen jährlich 2,5 Millionen Liter Heizöl. Der Umwelt werden damit 6,7 Millionen Kilogramm CO² erspart.