Mit Glück und Talent
Wie Johann Heinrich Tischbein d. Ä. als Sohn des Klosterbäckers von Haina zu einem der bekanntesten deutschen Maler aufstieg – Neue Ausstellung zum 300. Geburtstag im Kloster Haina
Das Jahr 2022 ist ein Tischbein-Jahr! Am 3. Oktober jährt sich zum 300. Mal der Geburtstag von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., der in der bekannten Malerfamilie eine Schlüsselstellung einnahm. Als erster schaffte der Sohn des Klosterbäckers aus Haina den Aufstieg zu einem der bekanntesten deutschen Künstler und wurde Hofmaler sowie Akademie-Direktor in Kassel. In dieser Position förderte er auch seine Verwandten, unter denen sein Neffe Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) wegen des berühmten Goethe-Porträts der bekannteste ist. Aus Anlass des Jahrestages werden derzeit in Nordhessen vier verschiedene Ausstellungen geplant, die sich mit dem Leben und Werk des Jubilars befassen. Die erste wurde am 20. März in seinem Geburtsort Haina eröffnet und trägt den Titel „Johann Heinrich Tischbein d. Ä. und die Farben des Südens“.
Wie der Verein der Freunde des Klosters Haina mitteilte, fügt sich die Präsentation auch in eine Serie gleichartiger Veranstaltungen ein, mit denen in Haina schon seit 2015 Jahr um Jahr das Schaffen der dort verwurzelten Malersippe unter wechselnden Aspekten gewürdigt wird. Wie in den vergangenen drei Jahren hat wieder die Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken die Schau kuratiert, die aus hochwertigen Reproduktionen von Gemälden und Dokumenten besteht.
Ein besonderer Akzent liegt auf der Jugend des Künstlers, der als sechstes von neun Kindern des Klosterbäckers Johann Heinrich Tischbein (1683-1764) und seiner Frau Susanna Margaretha Hinsing (1690-1772) in Haina aufwuchs. Erstmals werden Zeichnungen und Pläne des Stammhauses der Familie, der Obermühle, öffentlich gezeigt. Sie werden im hessischen Staatsarchiv in Marburg aufbewahrt. Das Gebäude, in dem sich neben dem Mahlwerk auch die Backstube und die Wohnung der Familie Tischbein befanden, ist 1883 abgebrannt.
Offenkundig war die Familie, zu der auch zwei Töchter gehörten, mit einer kreativen Ader gesegnet. Schon früh leiteten Vater und Mutter ihre Kinder zum Zeichnen, die Mädchen auch zu Handarbeiten an. Als erster erhielt Johann Valentin Tischbein (1715–1768) eine Ausbildung als Tapetenmaler, nachdem ihn 1729 ein Darmstädter Hofbeamter beim Zeichnen in der Hainaer Klosterkirche entdeckt hatte. Valentin lernte vier seiner sechs jüngeren Brüder als Maler an, darunter Johann Heinrich, der dann mit viel Glück und Talent eine erstklassige Ausbildung auch im Ausland erhielt.
Er verdankte dies der Förderung durch Anton Heinrich Friedrich Reichsgraf von Stadion zu Thann und Warthausen (1691-1768), der seinerzeit Minister und Großhofmeister des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz war. Graf Stadion finanzierte dem jungen Tischbein einen mehrjährigen Aufenthalt bei bekannten Malern in Paris, Venedig und Rom. Zu seinen Lehrmeistern gehörten Charles André van Loo, der spätere Erste Maler des französischen Königs, und der venezianische Rokoko-Künstler Giovanni Battista Piazzetta.
Während dieser Studienjahre lernte der junge Tischbein „die Farben des Südens“ kennen und setzte die erhaltenen Anregungen in seinem eigenen Schaffen um. „Er verwandte nun lebhaftere Farben und lernte, genau zu zeichnen und die Figuren richtig zu erfassen“, sagt die Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken. „Die Kunst, wie sich Gefühle in Gesten und Gesichtern spiegeln, hatte Tischbein im Ausland kennengelernt und kam vor allem in seinen Historienbildern zum Ausdruck. Ein großer Teil seines Werks besteht aus Porträts, darunter sehr persönlichen Bildnissen seiner beiden Ehefrauen und seiner Töchter, die in der Ausstellung gezeigt werden und die den gehobenen Lebensstil der Tischbeins zeigen.“
Mit seiner neuartigen Malweise erregte Johann Heinrich Tischbein nach seiner Rückkehr in Deutschland beträchtliches Aufsehen. Als der hessische Landgraf Wilhelm VIII. (1682-1760) bei einem Kuraufenthalt in Schlangenbad 1753 eines seiner Bilder sah, ließ er sich sofort auch selber porträtieren und stellte den jungen Künstler dann als Hofmaler in Kassel ein. Unter Wilhelms Sohn und Nachfolger Friedrich II. wurde Tischbein auch Professor und der erste Direktor der 1777 gegründeten Kasseler Kunst-Akademie. In dieser Eigenschaft förderte er auch seine Tochter Amalie sowie einige seiner Neffen, darunter vor allem den „Goethe-Tischbein“ Johann Heinrich Wilhelm sowie Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), der ein Sohn seines Bruders Valentin war und später ein bekannter Porträtist wurde.
Johann Heinrich Tischbein d. Ä. wirkte in Kassel bis an sein Lebensende und gehörte zu den bekanntesten Historien- und Porträt-Malern seiner Zeit in deutschen Landen. Ein Jahr vor seinem Tod im Jahr 1789 besuchte er noch einmal seinen Heimatort Haina und schenkte der Kirche sein Gemälde „Christus am Ölberg“, das bis heute in einem Seitenraum zu sehen ist. Aus seinem reichhaltigen Schaffen sind im Ganzen schätzungsweise um die 300 Werke erhalten, darunter die komplette künstlerische Ausstattung von Schloss Wilhelmsthal bei Kassel.
Die weitaus meisten dieser Gemälde befinden sich im Besitz der Museumslandschaft Hessen-Kassel, die für die Zeit vom 22. Oktober bis zum 31. Januar eine große Sonderausstellung mit dem Titel „Der Maler als Zeichner – der Zeichner als Maler“ plant. Weitere Präsentationen sind vom 11. Juni bis 9. Oktober im Schloss Fasanerie bei Fulda sowie vom 15. Dezember bis zum 31. März 2023 im Stadtmuseum Kassel geplant, letztere unter dem Titel „Mit Tischbein zu Tisch – (Ein)Blick in das Leben des Kasseler Hofmalers“.
Die Hainaer Schau wird vom 20. März bis zum 30. Oktober gezeigt. Nach Angaben der Freunde des Klosters Haina, die die Ausstellung organisieren, gelten die üblichen Hygiene-Vorschriften, die wegen der Corona-Pandemie erlassen wurden. Die Präsentation ist während der üblichen Besuchszeiten der historischen Klosteranlage täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
So, 20. 03., 14 Uhr - Eröffnung der Ausstellung mit Einführungsvortrag
So, 08.05., 14 Uhr - Kuratorenführung
So, 10.07., 14 Uhr - Kuratorenführung
So, 16.10., 14 Uhr - Kuratorenführung