Kloster Haina virtuell
Die Besucher des hessischen Zisterzienser-Klosters Haina können ab sofort die Baugeschichte der mittelalterlichen Anlage anhand eines digitalen Modells studieren. Die neuartige Präsentation, die der Diplom-Designer Herbert Nagel im Auftrag der Freunde des Klosters Haina e.V. entwickelt hat, informiert auf anschauliche Weise über den Ablauf der einzelnen Bauphasen und über ihre stilgeschichtliche Einordnung. Außerdem werden in einem 15-minütigen Film anhand des Modells auch diejenigen Teile der Klosterbauten gezeigt, die im Laufe der vergangenen acht Jahrhunderte umgebaut, überformt oder entfernt worden sind, sodass man sie heute nicht mehr sieht. Dazu gehören unter anderem das Brunnenhaus im Kreuzgang der alten Zisterzienser-Abtei sowie das Kirchendach in seiner früheren Form.
„Wir sind sicher, dass damit ein echter zusätzlicher Informationsgewinn erreicht wird“, erklärte dazu der Vorstand des Vereins der Freunde des Klosters Haina. „Außerdem macht es Spaß, auf dem Bildschirm den Bau voranschreiten zu sehen und dabei auf Anhieb zu erfassen, welche Bewandtnis es beispielsweise mit dem Übergang vom Baustil der Romanik zur Gotik hat. Wir erhoffen uns davon ein zusätzliches Besucherinteresse und wir würden uns freuen, wenn auch Schulklassen und Jugendgruppen dieses Angebot intensiv nutzen.“
Das neue Digitalmodell wurde am Dienstag, dem 23. August 2016, bei einem Besuch des hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein, der Öffentlichkeit vorgestellt. Sein Ministerium hatte das Projekt mit einem Zuschuss von 10.000 Euro gefördert und dadurch überhaupt erst möglich gemacht. „Großes Kompliment“, erklärte Minister Rhein spontan nach der Vorführung des 15-minütigen Films. „Diese Präsentation ist einfach toll geworden.“ Als „sehr gelungen“ bezeichnete auch Uwe Brückmann, der Landesdirektor des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (LWV), das Projekt. Der LWV ist der Träger des Klosters Haina, als Hausherr hatte Brückmann gemeinsam mit Peter Lein, dem Vorsitzenden der Freunde des Klosters Haina e. V., den Gast aus Wiesbaden begrüßt, der anschließend die in den vergangenen Jahren mit hohem Aufwand restaurierte Klosterkirche besichtigte.
Lein sprach dem Minister den Dank des Vereins für die finanzielle Förderung aus und erklärte, das Digital-Modell füge sich ein in eine ganze Reihe publizistischer Initiativen, die dem Kloster Haina nicht nur in Hessen zu größerer Bekanntheit verhelfen sollten. So war im Jahr 2015, als mit einer ganzen Serie von Veranstaltungen der 800. Jahrestag der Grundsteinlegung der historischen Klosterkirche begangen wurde, die Website www.klosterhaina.de freigeschaltet worden, auf der die Anlage und ihre wechselvolle Geschichte in allen Facetten dargestellt werden. Im März hatte der Verein einen neuartigen Video Walk vorgestellt, bei dem ein Tablet-Computer gewissermaßen die Funktion eines virtuellen Fremdenführers übernimmt. Die Ausführung lag in diesem Fall bei Absolventen der Kunsthochschule Kassel, die vor allem Jugendliche ansprechen wollen.
Das Digitalmodell, das sich an alle Altersgruppen richtet, wird den Besuchern in einem rund 15 Minuten dauernden Film auf einem Bildschirm am Eingang der historischen Klosterkirche offeriert. Bei seiner Entwicklung hat sich der Diplom-Designer Herbert Nagel aus Frebershausen, einem Stadtteil von Bad Wildungen, nach eigenen Worten auf historische Bauzeichnungen und Berichte gestützt. „Sie waren die Grundlage für eine ganze Serie komplexer Rechenprozesse, die sehr viel Zeit und sehr viel digitale Tüftelei erfordert haben“, sagt Herbert Nagel. An manchen Stellen habe er allerdings mangels präziser Unterlagen auch bestimmte, allerdings eher nebensächliche Details aufgrund von Vermutungen gestalterisch ergänzen müssen. „Aber es wäre schade, wenn die neuesten Errungenschaften der IT-Welt nicht für die Erklärung komplizierter historischer und bautechnischer Prozesse nutzbar gemacht würden. Meines Wissens ist das allerdings zumindest in Deutschland noch nicht oft versucht worden“, erklärt Nagel. „Wir betreten hier Neuland.“
Weiter sagt der Designer: „Die Visualisierung von Baugeschichte ist eine besondere Stärke der 3-D-Technik. Verloren gegangene Bauteile und fortdauernde Bauprozesse werden in der dreidimensionalen Darstellung dem Betrachter eindringlich vor Augen geführt. Man ist überrascht und erkennt, wie sehr sich beispielsweise der ganze Klosterkomplex in Haina im Laufe der Zeit gewandelt und dabei doch gleichzeitig seinen ursprünglichen Charakter in die Gegenwart gerettet hat. Man taucht ein in das Denken und die Ideenwelt der mittelalterlichen Baumeister und Handwerker, man versucht das Bauwerk zu „lesen“ und Hinweise auf ursprüngliche und umgebaute Gebäudeteile zu finden. Diese Zusammenhänge zu ermitteln, chronologisch zu gliedern und in eine eingängige Darstellungsform zu überführen – das ist für mich die kreative Herausforderung dieses Projektes.“