„Genies im Familienpack“
Internationale Tischbein-Gesellschaft in Kassel gegründet. Mehr als zwei Dutzend Künstler an über 40 Orten
In Kassel hat sich eine Internationale Tischbein-Gesellschaft gegründet, die Mitglieder in ganz Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern werben will. Die Organisation beschäftigt sich nach Angaben der Gründer mit den Angehörigen der Malerfamilie Tischbein aus dem nordhessischen Kloster Haina, die im 18. und 19. Jahrhundert an rund 40 verschiedenen Orten in ganz Europa als Maler tätig waren. Zu diesen Orten zählen kleine Residenzen wie Arolsen, Laubach, Eutin oder Kirchberg an der Jagst ebenso wie europäische Metropolen, darunter Rom, Neapel, Amsterdam, Paris und St. Petersburg. Der Bekannteste aus der Sippe ist Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829), der 1786 in Rom den Dichter Johann Wolfgang Goethe mit großem Hut und hellem Mantel vor dem Hintergrund antiker Kunstwerke porträtierte. Kunsthistorisch bedeutsam sind aber auch sein Onkel Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1822-1789), der Hofmaler und Akademiedirektor in Kassel war, sowie sein Cousin Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), der einen guten Ruf als Porträtist hatte.
„Bisher ruft der Name Tischbein meist reflexhaft die Erinnerung an Goethes Italien-Reise auf, aber das wird dem reichhaltigen Schaffen dieser Künstler-Dynastie natürlich nicht gerecht“, erklärte die Kasseler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt, die bei der Gründungsversammlung am 5. Dezember 2019 im Kasseler Spohr-Museum einstimmig zur Ersten Vorsitzenden gewählt wurde. Das Magazin „Der Spiegel“ hatte schon vor Jahren zu Recht von „Genies im Familienpack“ geschrieben und betont, die Tischbeins seien wegweisend für die deutsche Kunst gewesen, ihre Produktion sei aber nie angemessen gewürdigt worden. „Unser Bestreben wird es sein, die Forschung über möglichst alle Maler der Familie Tischbein intensiv zu begleiten und zu fördern. Wir sind sicher, dass noch manche Schätze zu finden und zu heben sind“, sagte die Wissenschaftlerin, die an der Universität Kassel den Lehrstuhl für mittlere und neuere Kunstgeschichte innehat. Das Thema berge ein unerschöpfliches Potential. Es gebe sicher auch in vielen Familien, vor allem in Nordhessen, noch zahlreiche Gemälde, die unter Umständen noch nicht als Werke der Tischbeins erkannt seien.
An der Gründung des Vereins waren Kunst-Interessierte aus Kassel und anderen Orten in Nordhessen sowie aus Göttingen beteiligt. Als stellvertretende Vorsitzende wurde ebenfalls einstimmig die Kunsthistorikerin Dr. Birgit Kümmel gewählt; sie ist die Leiterin der Museumslandschaft in Bad Arolsen, wo zahlreiche Werke von Künstlern der Familie Tischbein zu sehen sind. Schatzmeister wurde der Steuerberater Peter Schultheis aus Bad Wildungen, Schriftführer der Journalist Klaus Brill aus Ellershausen; beide sind im Verein der Freunde des Klosters Haina aktiv.
Als Mitglieder nimmt die Internationale Tischbein-Gesellschaft sowohl einzelne Personen als auch Vereine oder Museen und andere Körperschaften auf. Der Verein der Freunde des Klosters Haina hat seinen Beitritt bereits beschlossen. Zu anderen Organisationen dieser Art etwa in Hanau und Eutin wurden bereits Kontakte aufgenommen. Ziel ist der Aufbau eines umfassenden Netzwerks und der regelmäßige Austausch von Informationen bis hin zu gemeinsamen Veranstaltungen und Projekten.
Zu den geplanten Aktivitäten der Internationalen Tischbein-Gesellschaft gehören auch Vorträge, Ausstellungsbesuche und Exkursionen. So soll bereits im kommenden Monat das Rijksmuseum Twenthe in der niederländischen Grenzstadt Enschede besucht werden, wo noch bis zum 19. Januar 2020 eine Ausstellung mit Werken von Johann Friedrich August Tischbein läuft. Er ist als „Leipziger Tischbein“ bekannt geworden, weil er unter anderem Direktor der Kunstakademie in Leipzig war, und hat längere Zeit auch in Amsterdam und Den Haag gearbeitet. Außerdem lebte er jeweils mehrere Jahre in St. Petersburg sowie in Paris und Rom.
Ferner plant die Internationale Tischbein-Gesellschaft die Erstellung einer eigenen Website, auf der der Stammbaum der Familie und die Orte des Wirkens ihrer Mitglieder übersichtlich dargestellt werden sollen. Prof. Dr. Martina Sitt wies bei der Versammlung in Kassel darauf hin, dass an ihrem Lehrstuhl bereits die Lebensläufe der verschiedenen Künstler erforscht und dargestellt worden seien. In knapper, übersichtlicher Form sind diese Informationen im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen (Lagis ) unter der Webadresse www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/current/1/sn/bio?q=Familie+Tischbein zu finden. Die Datensammlung ist noch im Aufbau begriffen.
Kontakt: tischbeingesellschaft@gmx.de
Website: https://tischbein-gesellschaft.eu