Im Kloster Haina wird eine Präsentation über die Stammeltern der hessischen Malerdynastie und ihre 40 berühmten Nachfahren vorbereitet – Eröffnung am 24. März – Dauer bis zum 31. Oktober
Im hessischen Kloster Haina wird in diesem Jahr ein neuer Überblick über die berühmte Künstlerfamilie Tischbein gegeben, die dort ihren Ursprung hat. Wie der Verein der Freunde des Klosters Haina mitteilte, wird am 24. März eine neue Ausstellung mit dem Titel „Die Tischbeins!“ eröffnet, die auf der Basis neuester Forschungen einen aktualisierten Überblick über das Schaffen der weitverzweigten Sippe geben soll. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei die Stammeltern Johann Heinrich Tischbein (1683-1764) und seine Frau Susanna Margaretha geb. Hinsing (1690-1772).
Die beiden lebten mit ihren neun Kindern im Komplex des alten Zisterzienserklosters Haina, das 1533 im Zuge der Reformation vom hessischen Landgrafen Philipp dem Großmütigen zu einem Hospital umgewandelt worden war. Johann Heinrich Tischbein arbeitete dort als Bäcker. Seine kunstsinnige Frau, die aus der Familie eines Schlossers und Uhrmachers in Bingenheim in der Wetterau stammte, unterwies ihre sieben Söhne abends am Familientisch im Zeichnen – und die Töchter in Handarbeit.
Nicht weniger als fünf der sieben Söhne wurden Maler, nachdem im Jahre 1729 durch einen Zufall ein Hofbeamter des Hauses Hessen-Darmstadt bei einem der Jungen in der Hainaer Klosterkirche auf dessen künstlerisches Talent aufmerksam geworden war. Den größten Ruhm erlangte von ihnen Johann Heinrich Tischbein der Ältere (1722-1789), der in Paris, Venedig und Rom studierte und lange als Hofmaler und Akademie-Direktor in Kassel lebte.
Auch in der zweiten und dritten Generation entschlossen sich rund zwei Dutzend junge Männer und Frauen, Künstler zu werden. Die meisten von ihnen reisten nach Italien und in andere europäische Länder, um sich an den Werken der großen Meister zu schulen. Große Bekanntheit erlangten unter ihnen Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), der unter anderem in Dresden, St. Petersburg und Leipzig tätig war und deshalb der „Leipziger Tischbein“ genannt wird, sowie sein Cousin Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829). Er wurde wegen eines Porträts des Dichters Johann Wolfgang Goethe, das er in Rom anfertigte, als „Goethe-Tischbein“ berühmt.
In der dritten Generation ist es neben Caroline und Carl Wilhelm Tischbein vor allem August Anton Tischbein (1805-nach 1867), der ein besonderes Interesse verdient. Dieser verbrachte sein Leben in Triest und wurde mit Landschaftsbildern der Region bekannt, die großen Erfolg hatten.
Im Ganzen kann man nach neueren Forschungen davon ausgehen, dass bis zu 40 Frauen und Männer der Tischbein-Sippe als namhafte Künstlerinnen und Künstler anzusehen sind. „Auf diese Zahl kommt man, wenn man auch die angeheirateten Malerinnen und Maler und deren Kinder dazuzählt, die dann oft nicht mehr Tischbein hießen und die als Maler, Kupferstecher oder Architekten tätig waren“, erklärt die Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken, die die Ausstellung im Kloster Haina in Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde des Klosters Haina entwickelt und erarbeitet hat.
Am meisten fasziniert Caroline von der Osten-Sacken die Frage, wie es möglich war, dass die Kinder, Enkel und Urenkel der Bäckerfamilie in so großer Zahl eine künstlerische Laufbahn einschlagen konnten. „Dabei spielte eine gezielte Förderung durch Menschen, die das Talent der Tischbeins erkannten, eine große Rolle. Auch die Unterstützung der Maler und Malerinnen untereinander war wichtig, um sich das gegenseitige Fortkommen zu erleichtern“, sagt Caroline von der Osten-Sacken.
Mit einer neuen graphischen Gestaltung soll der Stammbaum der Familie veranschaulicht und so ein Überblick über die weit verzweigte Malerdynastie gegeben werden. Aus jeder der drei Generationen werden einige Maler und Malerinnen herausgegriffen und exemplarisch mit ihren Besonderheiten vorgestellt.
Die Präsentation wird am Sonntag, dem 24. März 2019, um 14 Uhr im Kloster Haina mit einem Vortrag von Caroline von der Osten-Sacken eröffnet und bis zum Ende der Besuchersaison am 31. Oktober gezeigt. Sie fügt sich ein in eine ganze Serie von Ausstellungen, die in den vergangenen Jahren von der Kasseler Kunsthistorikerin Professor Dr. Martina Sitt initiiert und mit Studierenden der Universität Kassel auf der Basis umfangreicher Forschungen ins Werk gesetzt worden waren.
„Wir sind Frau Professor Dr. Sitt und Frau von der Osten-Sacken unendlich dankbar dafür, dass sie mit soviel Energie und Engagement für uns im Kloster Haina Jahr um Jahr immer wieder neue Aspekte aus dem Schaffen der Tischbein-Familie aufzeigen“, erklärte die Vorsitzende des Vereins der Freunde des Klosters Haina, Heike Hartmann-Frank. „Sie setzen damit neue Maßstäbe für die Vermittlung anspruchsvoller kultureller Inhalte in die breite Bevölkerung. Wir wünschen uns sehr, dass die Menschen in Nordhessen diese außerordentliche Gelegenheit nutzen und diese Präsentation in Haina am Stammsitz der Tischbeins besuchen.“
Zum Bild der Familie Tischbein beim abendlichen Beisammensein
Das beigefügte Bild beruht auf einem verschollenen Original aus der Hand von Johann Heinrich Tischbein dem Älteren. Sein Neffe Johann Heinrich Wilhelm Tischbein schuf eine Kopie, die jedoch im Zweiten Weltkrieg in der Gemäldegalerie Dessau verbrannte. Hier handelt es sich um eine Reproduktion dieser Kopie. Sie zeigt die Stammfamilie beim abendlichen Beisammensein. Die Mutter leitet ihre beiden Töchter zum Klöppeln und Sticken an. Rechts an der Staffelei sitzt Johann Heinrich Tischbein d. Ä.