Bezaubernde Landschaften
Die Tischbein-Ausstellung im Kloster Haina befasst sich in diesem Jahr mit der Landschaftsmalerei – Ludwig Philipp Strack als Schöpfer italienischer und holsteinischer Ansichten
O, diese Aussicht! Das Meer so blau, die Stadt so hell. Im Vordergrund der dunkle Fels, die Bäume, die schäkernden Paare – und in der Ferne der rauchende Vesuv. Man versteht, warum dieser Blick auf den Golf von Neapel so viele Menschen in Verzückung versetzte. Ein junger Mann aus Haina hat das herrliche Panorama schon vor mehr als 200 Jahren immer wieder genossen, in Natur. Und weil er ein talentierter Maler war, hielt er es auch in Bildern fest. Sein Name war Ludwig Philipp Strack. Er lebte von 1761 bis 1836 und war zu seiner Zeit ein bekannter deutscher Landschaftsmaler.
Deshalb steht er demnächst auch im Blickpunkt einer Ausstellung im Kloster Haina, wo Jahr für Jahr das künstlerische Schaffen der dort verwurzelten Malerfamilie Tischbein behandelt wird. Das Thema lautet diesmal: „Bezaubernde Landschaften – die Tischbeins und ihr Blick auf die Natur“. Die Präsentation wird am Sonntag, dem 26. März, um 14 Uhr mit einem Vortrag der Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken eröffnet, die die Schau kuratiert hat.
Ludwig Philipp Strack ist, auch wenn sein Name es nicht verrät, durchaus ein vollwertiges Mitglied der Tischbein-Familie. Seine Mutter Louisa Margaretha war die jüngere der zwei Töchter des Bäckers Johann Heinrich Tischbein und seiner Frau Susanna Margaretha, die als Stammeltern der Künstlersippe gelten. Fünf ihrer sieben Söhne, Louisas Brüder, zogen in die Welt hinaus und wurden die Maler der ersten Generation. Louisa hingegen blieb in Haina und heiratete den Bäcker Heinrich Strack, der später von seinem Schwiegervater die Hospitalbäckerei übernahm. Ihr Sohn Ludwig Philipp Strack war also ein Neffe des berühmten Kasseler Hofmalers und Akademiedirektors Johann Heinrich Tischbein d. Ä. und ein Cousin des noch berühmteren Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der durch sein Porträt von Goethe in Italien bekannt wurde.
Dieser Wilhelm war zehn Jahre lang, von 1789 bis 1799, Direktor der Kunstakademie von Neapel und förderte den jüngeren Vetter Strack nach Kräften, als auch dieser für fünf Jahre nach Italien kam. Strack bildete sich, angeregt durch das Vorbild des ebenfalls in Neapel lebenden Deutschen Jakob Philipp Hackert, zum Landschaftsmaler aus. In späteren Jahren war er für den Herzog von Oldenburg tätig und wurde bekannt durch die zahlreichen Gemälde, die er von holsteinischen Landschaften anfertigte.
Ludwig Philipp Strack war nach den Worten Caroline von der Osten-Sackens zweifellos der wichtigste Landschaftsmaler der Familie Tischbein. „Er malte Veduten, also Bilder echter Landschaften, aber auch erfundene Ideallandschaften, und er verstand es, beide mit einander zu verbinden“, sagt die Kunsthistorikerin. „Dafür nutzte er Gestaltungsprinzipien wie etwa rahmende Bäume, um eine naturgetreu abgebildete Landschaft zu verschönern. Indem er dieses Verfahren auch auf die holsteinischen Landschaften übertrug, schuf er etwas in Deutschland wirklich Neues.“
Beim größten Teil des Publikums, aber auch bei Sammlern und Mäzenen, waren Landschaftsbilder in der Zeit des Klassizismus sehr beliebt. So wie heutige Touristen mit dem Fotoapparat oder dem Handy das festhalten, was sie gesehen haben, erwarben damals Reisende gemalte Ansichten von Landschaften und Städten. Gleichwohl stand die Landschaftsmalerei „in der Hierarchie der Gattungen nach der Historienmalerei und der Porträtmalerei nur auf einem nachgeordneten Rang und genoss bei Kennern kein so großes Ansehen“, wie Caroline von der Osten-Sacken sagt. „Vor allem galten Veduten weniger als Ideallandschaften.“
Neben Ludwig Philipp Strack hat auch sein Onkel Johann Heinrich Tischbein d. Ä. eine Reihe bedeutender Landschaftsgemälde hinterlassen. Sie zeigen Schlösser und Parks seiner Auftraggeber, der Landgrafen von Hessen-Kassel, und dienten auch der Dokumentation dort vorgenommener Veränderungen. Der „Goethe-Tischbein“ Wilhelm schuf seinerseits verschiedene Ideallandschaften. In der dritten Generation traten der in Rostock geborene Paul Tischbein und sein in Triest lebender älterer Bruder August Anton mit naturgetreuen Abbildungen dieser beiden Städte hervor.
Die Ausstellung ist vom 26. März bis zum 31. Oktober täglich außer montags zwischen 11 und 17 Uhr in einem Nebenraum der Hainaer Klosterkirche zu sehen. Der Eintritt kostet 5 Euro und schließt die Besichtigung der Kirche, des Kreuzgangs und der weiteren historischen Anlagen ein. Ab dem 2. April finden jeden Sonntag um 14 Uhr Führungen statt. Spezielle Kuratoren-Führungen durch die Tischbein-Ausstellung sind für den 7. Mai, den 9. Juli und den 22. Oktober jeweils um 14 Uhr geplant. Weitere Informationen finden sich auf der Website www.klosterhaina.de.