Tischbein und die Öfen
Was bisher nur Eingeweihte wissen: Der Goethe-Maler Wilhelm Tischbein gab auch Anregungen für Dekore auf Kachelöfen – Eine Ausstellung im Kloster Haina über die Kunst im Alltag und die Begeisterung für die Antike - Vortrag und Führungen durch die Kuratorin
Ein Kachelofen strahlt Wärme aus – und Behaglichkeit. Und ist er dann noch hübsch verziert, lässt sich das Wohlbefinden steigern bis zum Hoch- und Kunstgenuss. Vor allem dann, wenn der dekorative Schmuck des Ofens von einem talentierten Künstler geschaffen worden ist und dieser sich dabei an Motiven aus der griechischen und römischen Antike orientiert hat. Eine solche glückliche Verbindung des Nützlichen mit dem Ästhetischen gelang vor rund 200 Jahren dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der durch sein Porträt des Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe berühmt geworden ist. Nur ein paar Eingeweihte wussten bisher, dass Motive und Ornamente aus Tischbeins Werken auch auf eleganten Kachelöfen Verwendung fanden. Im Kloster Haina werden diese Kunstwerke in diesem Sommer zum ersten Mal einem breiten Publikum vorgestellt.
Wie der Verein der Freunde des Klosters Haina mitteilte, soll damit im Rahmen der alljährlich stattfindenden Ausstellungen über das Schaffen der in Haina verwurzelten Malerfamilie Tischbein ein besonderer Akzent gesetzt werden. Man biete all denen, die bisher noch keine besondere Neigung zur Kunst und Kunstgeschichte entwickelt hätten, jetzt einmal die Gelegenheit, sich der Sache gewissermaßen „über die Hintertreppe und durch die Kaminstube“ zu nähern, erklärte der Vereinsvorstand. „Es handelt sich hier um interessante Beispiele von Gebrauchskunst, die dazu dienen sollten, den Alltag zu verschönern und zu bereichern“, sagt die Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken, die auch in diesem Jahr die Präsentation wieder kuratiert hat.
Wie immer ist bei der Ausstellung, die am kommenden Samstag, dem 19. Juni, eröffnet wird, auch in diesem Jahr der Stammbaum der Familie Tischbein zu sehen, deren Stammeltern der Hainaer Klosterbäcker Johann Heinrich Tischbein (1683-1764) und seine Frau Susanna Margaretha geb. Hinsing (1690-1772) waren. Aus ihrer Ehe gingen in drei Generationen mehr als zwei Dutzend namhafte Malerinnen und Maler hervor. Die bekanntesten waren neben dem „Goethe-Tischbein“ dessen Onkel, der langjährige Kasseler Hofmaler und Akademie-Direktor Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789), und sein Cousin Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), der seine Karriere in Arolsen begann, als Porträtist an zahlreichen Fürstenhöfen weilte und schließlich Akademiedirektor in Leipzig wurde.
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) war nach der gemeinsamen Zeit mit Goethe in Rom noch zehn Jahre lang, von 1789 bis1799, Direktor der Kunst-Akademie in Neapel, das damals eine der größten Metropolen Europas und Hauptstadt eines Königreiches war. Er lernte dort den englischen Gesandten Sir William Hamilton kennen, einen berühmten Kunstsammler, der ihm große Aufträge gab. Dies war vor allem die Übertragung von Motiven, die sich auf den Prunkstücken seiner riesigen Vasen-Sammlung fanden. Die damals gefertigten Zeichnungen sowie die Arbeiten für das von Tischbein selbst herausgegebene Werk „Homer nach Antiken gezeichnet“ dienten später als Vorlagen für kunstvolle Ofendekore.
Von besonderem Interesse ist dabei die Technik, die der Künstler für die Übertragung der Vasen-Motive anwandte. Er legte durchsichtiges Ölpapier darauf und zeichnete sie Linie für Linie nach, um sie dann in Kupfer stechen zu lassen. Das Ganze wurde dann gedruckt und in Verkauf gebracht. Bei der Ausstellung in Haina können Besucherinnen und Besucher dies nachvollziehen und selber eine solche Pausung auf Papier ausprobieren.
Tischbein kehrte 1799 nach Deutschland zurück und lebte von 1808 bis zu seinem Tod im Jahre 1829 in der schleswig-holsteinischen Stadt Eutin als Hofmaler und Galerieinspektor des Herzogs von Oldenburg, der dort seine Sommerresidenz hatte. So kam es möglicherweise zu der Zusammenarbeit mit dem Eutiner Ofenbauer Jürgen Friedrich Niemann, der seine Produkte in ganz Deutschland verkaufte. Tischbeins Motive wurden aber auch von anderen Fabrikanten verwandt und finden sich zum Beispiel auf Objekten, die im Frankenberger Museum im Kloster und in der Ofensammlung der Allendorfer Firma Viessmann stehen.
Einer dieser Öfen wird in der Hainaer Ausstellung gezeigt, ebenso wie einige originale Kacheln. Ansonsten wartet die Präsentation vor allem mit hochwertigen Fotos von Eutiner Öfen sowie mit Reproduktionen anderer Tischbein-Werke auf, die den Zusammenhang mit Italien und der griechischen Sagenwelt veranschaulichen. Unter den Motiven finden sich neben mythologischen Szenen, die Tischbein nach der „Ilias“ und der „Odyssee“ des Dichters Homer schuf, auch ornamentale Darstellungen. So zeigt ein Ofen mit zwei Friesen einen Löwen, einen Adler, ein Pferd und einen Hirschen, die durch Pflanzenranken springen oder fliegen und die Tischbein nach Fresken aus Pompeji gestaltet hat.
An solchen Stellen wird auch deutlich, wie intensiv sich Tischbein ganz im Geiste seiner Zeit mit der Antike beschäftigte, deren Schöpfungen er in Rom und Neapel auch gemeinsam mit Goethe bewundert hatte. „Es fügt sich glücklich, dass wir bei dieser Ausstellung gerade diesen Aspekt aus Tischbeins Schaffen besonders herausstellen können, denn es ist ein sehr wichtiger Aspekt“, sagte dazu die Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken. „Die Öfen, die Tischbein mitgestaltet hat, wurden damit zum Spielfeld des damals neuen Stils des Klassizismus. Dieser Stil manifestierte sich nicht nur in Gemälden, sondern auch in Gebrauchsgegenständen wie Möbeln und Geschirr oder in der Kleidermode.“
Für Besucherinnen und Besucher, die gerne mehr über die Hintergründe erfahren möchten, bietet die Kuratorin der Ausstellung, die Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken, während des Sommers drei Veranstaltungen an: Samstag, 17. Juli, 15 Uhr: Vortrag über die Thematik der Ausstellung (Winterkirche Kloster Haina) Sonntag, 12. September, 15:30 Uhr: Kuratorenführung durch die Ausstellung (Treffpunkt Eingang) Sonntag, 24. Oktober, 15:30 Uhr: Kuratorenführung durch die Ausstellung (Treffpunkt Eingang)