Porträts der Stammeltern der Familie Tischbein kommen nach Haina
Verein der Freunde des Klosters Haina erhält von Kasseler Unternehmer-Familie zwei Porträts der Stammeltern der Tischbein-Sippe
Im hessischen Kloster Haina werden künftig erstmals die Porträts der beiden Stammeltern der berühmten Künstlerfamilie Tischbein zu sehen sein. Die Gemälde, deren Existenz bisher nur wenigen Eingeweihten bekannt war, wurden in Kassel von der dort ansässigen Unternehmerfamilie Breithaupt dem Verein der Freunde des Klosters Haina gestiftet und zur Ausstellung in der Tischbein-Präsentation in Haina übergeben. Eine Schenkungsurkunde wurde von Frau Hedda I. Breithaupt und der Vereinsvorsitzenden Heike Hartmann-Frank unterzeichnet. Daraus geht hervor, dass die beiden Bilder über lange Zeit in der Familie Breithaupt aufbewahrt worden waren. Einer ihrer Vorfahren, der Hofmechanicus Johann Christian Breithaupt (1736 – 1799), hatte 1769 in die Familie Tischbein eingeheiratet, sodass sich eine direkte Verbindung ergibt.
Die Porträts, die in Öl auf Leinwand gemalt und 30,8 mal 21,8 cm groß sind, zeigen den Hospitalbäcker Johann Heinrich Tischbein (1683-1764) und seine Frau Susanna Margaretha geb. Hinsing (1690 – 1772). Die beiden lebten im 18. Jahrhundert mit ihren neun Kindern im Komplex des vormaligen Zisterzienserklosters Haina, das während der Reformation 1533 in ein Hospital umgewandelt worden war. Mehrere ihrer sieben Söhne sowie zahlreiche Enkel und Urenkel wurden Maler. Den größten Ruhm erlangte Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) durch ein Porträt des Dichters Johann Wolfgang Goethe. Als künstlerisch bedeutsamer gilt jedoch der Kasseler Hofmaler und Akademiedirektor Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789), der zahlreiche Persönlichkeiten des landgräflichen Hofes in Kassel gemalt hat.
Aus seiner Hand stammen auch zwei ursprüngliche Porträts seiner Eltern, die er 1752 angefertigt hatte. Der Verbleib dieser Bilder ist unbekannt. Bei den jetzt in Kassel übergebenen Gemälden handelt es sich nach Recherchen der Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken, die derzeit eine Ausstellung über die Familie Tischbein im Kloster Haina vorbereitet, um „nicht eigenhändige Repliken“ dieser Original-Porträts in verkleinertem Maßstab.
Hedda I. Breithaupt äußerte sich bei der Übergabe der beiden Bilder sehr zufrieden und hoch erfreut darüber, dass die Kunstwerke nun an den Ort ihres Ursprungs nach Haina zurückkehrten. „Das ist für sie der angemessene Platz“, sagte sie. Gerne werde sie die Ausstellung in Haina besuchen, und sicher würden auch ihre Kinder und Enkel dies tun.
„Wir sind sehr glücklich über diese Schenkung und wir danken Frau Breithaupt aus ganzem Herzen“, erklärte die Vorsitzende des Vereins der Freunde des Klosters Haina, Heike Hartmann-Frank. Weiter sagte sie, die Stammeltern der weit verzweigten Künstlerfamilie Tischbein gehörten zu den wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Klosters Haina. Ihnen verdanke man zu einem guten Teil den Glanz und Ruhm, der mit dem Namen Tischbein verbunden sei. „Sie haben ein seltenes Beispiel elterlicher Liebe und pädagogischen Geschicks gegeben, indem sie ihren Nachkommen die Freiheit ließen, ihre Talente auszuprobieren.“ In der Präsentation zur Künstler-Dynastie der Tischbeins, die im Kloster Haina zu sehen ist, nähmen Johann Heinrich und Susanna Margaretha Tischbein deshalb künftig eine Schlüsselstellung ein und bekämen einen Ehrenplatz.
Frau Hartmann-Frank äußerte ferner ihre tiefe Dankbarkeit gegenüber der Kasseler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt, die vor einigen Jahren im Gespräch mit Hedda I. Breithaupt auf die Bilder aufmerksam geworden war und den Kontakt nach Haina vermittelt hatte. Frau Sitt hatte schon in den vergangenen Jahren mit Studentengruppen der Universität Kassel mehrere Ausstellungen über einzelne Aspekte des Wirkens der Tischbein-Sippe kuratiert und sie in Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde des Klosters Haina präsentiert. Auf besonders starke Resonanz war dabei unter anderem die Darstellung des Schaffens der weiblichen Angehörigen der Familie gestoßen, die bisher stets im Schatten ihrer männlichen Verwandten standen.
In Fortsetzung dieser Reihe wird am Sonntag, dem 24. März, um 14 Uhr im Kloster Haina eine neue Schau über die gesamte Künstlerfamilie mit dem Titel „Die Tischbeins!“ eröffnet. Dabei stehen die nun erhaltenen Porträts der Stammeltern im Mittelpunkt. Die Präsentation wurde von der Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken erarbeitet und wird bis zum 31. Oktober in einem Raum im Kreuzgang des früheren Zisterzienserklosters in Haina gezeigt. Nach ihren Recherchen kann man davon ausgehen, dass im Ganzen bis zu 40 Frauen und Männer der Sippe als namhafte Künstlerinnen und Künstler anzusehen sind. „Auf diese Zahl kommt man, wenn man auch die angeheirateten Malerinnen und Maler und deren Kinder dazuzählt, die dann oft nicht mehr Tischbein hießen und die als Maler, Kupferstecher oder Architekten tätig waren“, erklärte Frau von der Osten-Sacken.
Die Verbindung zwischen den Familien Tischbein und Breithaupt hatte sich im Jahr 1769 ergeben. Damals heiratete der Kasseler Hofmechanicus Johann Christian Breithaupt eine Enkelin der Stammeltern mit dem Namen Susanne Strack. Deren Mutter Louise Margarethe war eine geborene Tischbein aus der ersten Generation der Nachkommen. Susannes Bruder Ludwig Philipp Strack erlangte Bekanntheit als oldenburgischer Hofmaler, der „Goethe-Tischbein“ war beider Cousin. Aus der von Johann Christian Breithaupt 1762 gegründeten feinmechanischen Werkstatt entwickelte sich im Laufe von acht Generationen die weltweit tätige Kasseler Firma F. W. Breithaupt & Sohn, die Präzisionsmessinstrumente herstellt, beispielsweise Theodoliten und Tachymeter.