Neue Sicht auf Tischbein in Rom
Auch 2017 warten die Kasseler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt und ihre Studierenden wieder mit neuen Forschungsergebnissen auf
Die Malerdynastie der Familie Tischbein stellt auch im Jahr 2017 wieder einen Schwerpunkt der kulturellen Aktivitäten im Kloster Haina dar. Wie schon in den beiden vergangenen Jahren will die Kasseler Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt ab 9. April gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden in einer Ausstellung ihre neuesten Forschungsergebnisse über das Leben des „Goethe-Tischbein“ präsentieren. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein,1751 im Kloster Haina geboren, wurde berühmt durch sein Porträt des Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe, mit dem er 1786 in Rom zusammenlebte. Das Bild zeigt Goethe mit großem Hut und weißem Mantel, auf antiken Ruinen lagernd, vor dem Hintergrund der römischen Campagna und befindet sich heute im Städel in Frankfurt am Main.
Prof. Dr. Martina Sitt, die an der Kunsthochschule Kassel den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte innehat, wird am Sonntag, dem 9. April 2017, um 14:00 Uhr im Kloster Haina mit einem Vortrag die Ausstellung eröffnen. Die Präsentation ist anschließend bis zum 30. Oktober dieses Jahres im Tischbein-Raum im Klausurbereich der einstigen Abtei zu sehen.
Martina Sitt verbrachte im Jahr 2016 mehrere Monate in Rom und arbeitete dort unter anderem in der Casa Goethe. Diese Einrichtung im Zentrum der Stadt befindet sich in den Räumen jener Wohnung, in der Goethe, Tischbein und eine Reihe weiterer junger deutscher Künstler in der Zeit um 1780-90 wohnten. „Tischbeins römisches Leben war geprägt von erfüllten, aber auch unerfüllten Hoffnungen“, sagt die Kunsthistorikerin. „Zwar konnte er Beziehungen zu wichtigen Zeitgenossen aufbauen, aber seine Gemälde erzielten nicht die gewünschte öffentliche Aufmerksamkeit. Auch sein Erstlingswerk ‚Konradin von Schwaben‘ blieb unter Verschluss in einem Privatzimmer des Herzogs von Gotha.“
In Tischbeins Memoiren, die Sitt aus der ursprünglichen Textvorlage neu erschlossen hat, wird der Künstler nach den Worten der Forscherin als ein guter Beobachter und Beschreiber erkennbar. Er kommentierte die in Rom zu sehenden Werke der Antike und der Renaissance sowie die Malweise von Künstlern seiner Zeit. „Die Erfahrungen, die der durchaus belesene Tischbein sammelte, vermitteln einen ganz eigenen Blick auf die römische Periode des Malers, der schließlich in Neapel seine Berufung als Direktor der dortigen Accademia di Belle Arti fand“, sagt Prof. Dr. Sitt. „Um die Memoiren selbst galt es zunächst noch einige Rätsel zu lösen, welche die Ausstellung anschaulich vermittelt.“
Die geplante Präsentation wird unter Leitung von Martina Sitt von einem Team des Studiengangs Kunstwissenschaft an der Universität Kassel aufgebaut und vom Verein der Freunde des Klosters Haina materiell und finanziell unterstützt. Zu der Studiengruppe gehören Lisa Beutler, Alina Hanske, Julia Werner und Julia Krause. „Wir schätzen uns glücklich und sind von Herzen dankbar, dass Frau Prof. Dr. Sitt und ihre Studentinnen nun schon im dritten Jahr so viele neue und interessante Aspekte aus dem Leben und Wirken der Tischbein-Sippe im Kloster Haina präsentieren“, erklärte dazu der Vorstand der Freunde des Klosters Haina e.V. „Wir sind sicher, dass die Resonanz bei den Besuchern ebenso gut sein wird wie in den vergangenen Jahren.“
2016 hatten die Kasseler Kunsthistorikerinnen große öffentliche Aufmerksamkeit erregt, als sie erstmals den Fokus auf die weiblichen Mitglieder der Familie Tischbein gerichtet hatten. Diese standen als Malerinnen seit dem 19. Jahrhundert im Schatten ihrer berühmteren Väter, Brüder und Cousins, obwohl sie zu Lebzeiten ebenfalls als Künstlerinnen öffentlich anerkannt waren. (Siehe dazu den Bericht „Die Frauen der Familie Tischbein“ in der Reihe dieser Mitteilungen).