Aus Haina nach Arolsen
Die Tischbeins im Waldecker Land
Ausstellung schlägt im Jubiläumsjahr eine Brücke zwischen den beiden Teilen des Landkreises Waldeck-Frankenberg – Aufruf der Freunde des Klosters Haina stieß auf „sehr erfreuliche Resonanz“
Mit einer Ausstellung im Kloster Haina wird in diesem Jahr eine kulturelle Brücke nach Bad Arolsen und damit auch zwischen den beiden Teilen des Landkreises Waldeck-Frankenberg geschlagen. Das verbindende Element sind rund 40 Kunstwerke, die von Angehörigen der in Haina verwurzelten Malerfamilie Tischbein für die fürstliche Familie und andere Bewohner des Waldecker Landes geschaffen wurden. Wie der Verein der Freunde des Klosters Haina mitteilte, hat ein dazu vor sechs Wochen ergangener Aufruf an die Bevölkerung „eine sehr erfreuliche Resonanz gefunden“. Bei der Präsentation, die am Sonntag, dem 17. März, um 14:00 Uhr eröffnet wird und bis zum 3. November dauert, kann deshalb neben bekannten Gemälden aus dem Schloss in Bad Arolsen auch eine Reihe bisher unbekannter Werke aus Privatbesitz in Form von Reproduktionen präsentiert werden, im ganzen rund zwei Dutzend. Der Titel der Ausstellung lautet: „Aus Haina nach Arolsen – die Tischbeins im Waldecker Land“.
„Eine solche Initiative und eine solche Zusammenschau hat es bisher noch nie gegeben“, erklärte dazu die Vereinsvorsitzende Heike Hartmann-Frank. „Wir sind hochzufrieden und erfreut, dass sich tatsächlich mehr als ein halbes Dutzend Personen gemeldet haben, die ein Kunstwerk zu dieser Ausstellung beisteuern konnten. Und wir danken ihnen dafür sehr herzlich.“ Die Kasseler Kunsthistorikerin Caroline von der Osten-Sacken, die die Ausstellung kuratiert, äußerte ebenfalls große Freude darüber, dass auf den öffentlichen Aufruf in den Medien hin so viele verschiedene Gemälde und Zeichnungen zusammengekommen seien. „Wir können nun auch erstmals Werke von zwei Malern vorstellen, die nicht so bekannt sind wie die großen Drei der Familie, die aber gerade in der Region Waldeck-Frankenberg erhöhte Aufmerksamkeit verdienen.“
Bei den „großen Drei“, die seit langem auch im Arolser Residenzschloss der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont mit mehreren Gemälden vertreten sind, handelt es sich um den einstigen Kasseler Hofmaler Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789) sowie um zwei seiner Neffen: Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), einen europaweit bekannten Porträtisten, und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829), der durch sein Bild des Dichters Johann Wolfgang Goethe berühmt wurde. Der ältere Tischbein hatte unter anderem 1757 die Arolser Fürstenfamilie gemalt, der „Goethe-Tischbein“ in Rom drei Gemälde mit antiken Motiven an einen der Fürstensöhne verkauft. Der dritte, Friedrich August, war sogar am Anfang seiner Karriere, von 1780 bis 1795, Hofmaler in Arolsen und porträtierte den damals regierenden Fürsten Friedrich und andere Mitglieder der Hofgesellschaft. Später war er in Dessau, Weimar, Leipzig, Berlin, Amsterdam und St. Petersburg tätig. Zu seinen berühmtesten Werken zählen Bilder des Dichters Friedrich Schiller und der späteren preußischen Königin Luise.
Hinzu kommt nun in der Hainaer Ausstellung Johann Heinrich Tischbein der Jüngere (1742-1808), ein älterer Bruder des „Goethe-Tischbein“. Er lebte als Maler und Kupferstecher in Kassel und war seit 1775 auch Inspektor der Gemäldegalerie des Landgrafen von Hessen-Kassel. Von ihm werden zwei Grafiken vorgestellt, sie zeigen eine Wildkatze und ein Wildschwein und gehören den Städtischen Museen in Bad Wildungen. Ferner kann aus Bad Wildunger Privatbesitz das Porträt einer Frau präsentiert werden.
Zu nennen ist außerdem Christian Anton Wilhelm Tischbein (1751-1824), ebenfalls ein Cousin aus der zweiten Tischbein-Generation. Auch er war im Waldecker Land tätig und malte damals die Holzdecke der Kirche in Schmillinghausen bei Bad Arolsen mit Motiven aus der Reformationszeit aus, so auch einem Bild Martin Luthers. Außerdem porträtierte er den Jäger einer Waldecker Adelsfamilie.
Teil der neuen Ausstellung sind auch zwei Zeichnungen von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., die der Verein der Freunde des Klosters Haina unlängst von der Marburger Unternehmerin Andrea Suntheim-Pichler erhalten hatte. Sie zeigen ein Kranken- oder Sterbelager im Familienkreis und einen Lehrer mit einem Schüler. Zwei weitere Zeichnungen desselben Künstlers präsentierte eine Dame aus Kassel mit Wurzeln in Frankenau. Zudem wurden Tischbein-Werke im Schloss Friedrichstein in Bad Wildungen identifiziert. „Im Ganzen können wir damit eine wirklich interessante Mischung von Kunstwerken präsentieren, die alle eine Beziehung zum Landkreis Waldeck-Frankenberg haben“, sagte die Kuratorin Caroline von der Osten-Sacken. „Ich vermute, dass in mancher Wohnung und auf manchem Speicher in Nordhessen noch manches weitere Werk der Tischbeins schlummert“, erklärte die Kunsthistorikerin. „Manchmal wissen die heutigen Besitzer gar nicht, welche Schätze sie verwahren, die sie vielleicht geerbt haben.“
Der Verein der Freunde des Klosters Haina erneuerte sein Angebot, bei Bedarf den Kontakt zu Fachleuten herzustellen, um die gemeldeten Gemälde begutachten und schätzen zu lassen und sie wissenschaftlich in das Schaffen der einzelnen Künstler einzuordnen. Interessenten sind gebeten, sich per Internet über klosterhaina@t-online.de oder unter Tel. 06456-1014 zu melden. Diskretion wird zugesichert.
Für die Ausstellung „Aus Haina nach Arolsen – die Tischbeins im Waldecker Land“ arbeiten die Kuratorin und der Verein auch mit den Museen in Bad Arolsen zusammen, wo für den Sommer im Schreiber’schen Haus eine Kabinettsausstellung mit dem Titel „Tischbein trifft Maul trifft Kaulbach“ geplant ist. Sie setzt den einstigen Hofmaler Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812) in Beziehung zu seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm Maul und der bekannten Arolser Malerfamilie Kaulbach. Von Tischbein werden dort unter anderem zwei Porträts der Arolser Familie Stieglitz gezeigt.
Einen detaillierten Überblick über die gesamte Malerfamilie Tischbein gibt ein kürzlich erschienenes Buch, das die Kuratorin Caroline von der Osten-Sacken verfasst hat. Demnach gingen aus der Ehe des Hainaer Hospitalbäckers Johann Heinrich Tischbein (1683-1764) und seiner Frau Susanna Margaretha (1690-1772) in drei Generationen rund zwei Dutzend namhafte Malerinnen und Maler hervor. Im Ganzen gab es nicht weniger als 42 künstlerisch tätige Personen, sofern man auch die Graphiker, Kupferstecher, Architekten oder angeheirateten Künstler mitzählt. Vom nordhessischen Haina aus verbreiteten sie sich in halb Europa und waren an mehr als 30 verschiedenen Orten tätig. Das Buch kann über jede Buchhandlung oder über die Freunde des Klosters Haina e. V. bezogen werden (klosterhaina@t-online.de). Vom Beginn der Ausstellung am 17. März an ist das Werk auch im Klosterlädchen erhältlich.