Haina wird doch nicht Tischbein-Gemeinde
Antrag der Gemeindevertretung vom Innenministerium wegen mangelnder breiter Unterstützung abgelehnt – Freunde des Klosters Haina hoffen auf Neubesinnung und sachlich fundierte Diskussion
Die Gemeinde Haina (Kloster) kann sich auf absehbare Zeit nun doch nicht mit einer Zusatzbezeichnung als Heimat der Malerfamilie Tischbein schmücken. Ein entsprechender Antrag des Kommunalparlamentes wurde vom hessischen Innenministerium wegen der fehlenden breiten politischen Unterstützung abgelehnt, wie die HNA am Mittwoch, dem 7. April, in ihrer Frankenberger Ausgabe berichtete. Der Verein der Freunde des Klosters Haina äußerte sein Bedauern über diese Entscheidung und plädierte für eine Denkpause und eine Neubesinnung. Das vom Vorstand produzierte Flugblatt mit detaillierten Informationen über die im Kloster Haina verwurzelte Tischbein-Familie ist nach wie vor für alle Interessenten kostenlos erhältlich.
Den Antrag für eine entsprechende Zusatzbezeichnung hatte im Juni 2020 die Fraktion der Freien Bürgerschaft Löhlbach (FBL) im Kommunalparlament eingebracht. Sie wollte damit erreichen, dass die Gemeinde Haina in ähnlicher Weise wie andere Städte und Gemeinden in Hessen auf die Malerfamilie Tischbein als kulturelle Besonderheit hinweist und damit zusätzliche Touristen anlockt. Unter anderem bezeichnet sich die Stadt Frankenberg (Eder) als Philipp-Soldan-Stadt, weil sie der Geburtsort von Philipp Soldan, des „Bildhauers der Reformation“, ist. Korbach weist entsprechend darauf hin, dass es früher eine Hansestadt war.
Der Löhlbacher Antrag war am 17. September 2020 im Kommunalparlament mit einer Mehrheit von elf zu neun Stimmen gebilligt worden. Neben den Gemeindevertretern der Bürgerschaft Löhlbach (FBL) hatten auch die Vertreter der Bürgergemeinschaft Großgemeinde Haina (BGH) mit ja gestimmt, während die Unabhängigen Bürger Dodenhausen (UBD) und die Abgeordneten der SPD – mit einer Ausnahme – den Vorstoß abgelehnt hatten.
Damit war die Unterstützung für die Einführung der Zusatzbezeichnung nach Meinung des hessischen Innenministeriums nicht breit genug. Der Sprecher des Ministeriums, Michael Schaich, erklärte dazu auf Anfrage der HNA, eine wesentliche Voraussetzung für die Verleihung einer Zusatzbezeichnung sei es, dass der betreffende Antrag einstimmig oder wenigstens weitgehend einstimmig gefasst werde. Dies sei aber in Haina nicht der Fall gewesen. Erschwerend komme hinzu, dass im Vorfeld auch sechs der acht Ortsbeiräte der Hainaer Ortsteile sich mehrheitlich gegen den Zusatznamen ausgesprochen hatten. Nur Löhlbach hatte ihn befürwortet, Mohnhausen hatte sich enthalten. „Bislang wurde keinem Antrag mit einer solch hohen Anzahl an Gegenstimmen stattgegeben, insofern wurde auch der Antrag der Gemeinde Haina ablehnend beschieden“, erklärte der Sprecher des Innenministeriums.
Nach seinen Worten steht allerdings außer Frage, dass die Bezeichnung Hainas als Tischbein-Gemeinde unter inhaltlichen Aspekten durchaus gerechtfertigt wäre. Die eingeholte Expertise des Hessischen Staatsarchivs in Marburg habe „die Bedeutung Hainas als Geburtsort und Ausgangspunkt der Künstlerdynastie Tischbein bestätigt“.
Der Verein der Freunde des Klosters Haina hat die Entscheidung des Ministeriums mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Allerdings sei die Begründung, wonach die betreffende Entscheidung des Kommunalparlamentes nur mit knapper Mehrheit und gegen die Meinungsbildung in der Mehrheit der Ortsteile gefasst wurde, bedenkenswert, erklärte der Vorstand des Vereins am Osterwochenende. Weiter heißt es in der Mitteilung des Vorstands: „Der von uns gut geheißene Vorstoß ist leider ins Leere gelaufen. Man sollte die jetzt entstandene Lage für eine Denkpause und für eine Neubesinnung nutzen. Unser Eindruck ist, dass weniger die Bedeutung der Maler-Familie Tischbein im Mittelpunkt der bisher geführten Auseinandersetzungen stand als vielmehr lokale und politische Empfindlichkeiten, die mit anderen Fragen verknüpft sind. Es wäre schön, wenn diese Probleme behutsam gelöst werden könnten und dann die Frage einer Zusatzbezeichnung erneut auf die Tagesordnung käme. Andere Gemeinden würden sich nach einem Namenspatron wie der in ganz Europa bekannten Maler-Dynastie der Tischbeins die Finger lecken.“
Bedauern äußerte auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Freien Bürgerschaft Löhlbach, Heinz Brück, der im vorigen Jahr den Antrag im Gemeindeparlament eingebracht hatte. „Der Hinweis auf Haina als Herkunftsort der Künstlerfamilie Tischbein wäre ein großer Gewinn für die Außendarstellung unserer Gemeinde gewesen“, erklärte Brück gegenüber der HNA. Dass das Ministerium die Absage mit der ablehnenden Haltung vieler Ortsbeiräte und Gemeindevertreter begründe, könne er jedoch nachvollziehen. Mit ihrer Haltung hätten die Kommunalpolitiker, die gegen den Zusatz stimmten, eine Chance vertan. „Vielleicht gibt es ja später mal eine neue Mehrheit“, erklärte der Kommunalpolitiker, der auch dem Verein der Freunde des Klosters Haina angehört.
Ein Flugblatt der Klosterfreunde, das bereits im Sommer 2020 veröffentlicht und auch an die Mitglieder der Hainaer Gemeindevertretung versandt worden war, stellt das Wirken der Malerfamilie Tischbein anschaulich und übersichtlich dar. Aus der Ehe des Hainaer Hospitalbäckers Johann Heinrich Tischbein (1683 – 1764) mit Susanna Margaretha geb. Hinsing (1690-1772), der Tochter eines Schlossers und Uhrmachers aus Bingenheim in der Wetterau, waren in drei Generationen mehr als zwei Dutzend Maler und Malerinnen hervorgegangen. „Sie waren an mehr als 30 Orten in ganz Europa tätig und trugen den Namen Hainas in die Welt hinaus“, heißt es weiter. Das Magazin „Der Spiegel“ hatte die Tischbeins als „Genies im Familienpack“ bezeichnet, deren herausragende Produktion wegweisend für die deutsche Kunst gewesen sei. Das Flugblatt ist für alle Interessenten kostenlos im Klosterlädchen am Eingang zum Kirchenraum und zur ständigen Tischbein-Ausstellung oder bei den Vorstandsmitgliedern des Vereins der Freunde des Klosters Haina erhältlich.